Disco im Rotlichtviertel

Es gab in der Fahrenholzstraße nicht nur Hafenkneipen und Imbisse, sondern auch eine Diskothek, die weit über Cuxhavens Grenzen hinaus bekannt war.

Die Diskothek „Mascott“, die in den Anfängen noch Studio B hieß, wurde im Februar 1970 von Familie Weidner übernommen und bis Ende der 80er-Jahre geführt. Günter und Olga Weidner landeten mit ihrer Disco einen Volltreffer, an den Wochenenden war sie besonders gut gefüllt.

Dazu trug auch wesentlich der Disjockey bei. Lothar Kusch verstand es meisterhaft, mit seiner Liedauswahl die Gäste bei Laune zu halten, die Tanzfläche war immer gefüllt. Neben zur damaligen Zeit aktuellen Hits legte er auch Oldies auf, und das mochten die Gäste besonders gern.

Diese „Schummerlichtdisco „hatte eine weitere Besonderheit. Man konnte am Discopult vorbei über einen schmalen Gang auch zur angrenzenden Gaststätte „ Zum goldenen Anker“, die auch von Familie Weidner geführt wurde, gelangen. Am Ausgang befand sich schon die Straße „Neue Reihe“ und schräg gegenüber die auch nicht unbekannte Seemannskneipe „Schwäbischer Hof“.

Der Wirt Gerd Weidner konnte sich noch an viele Geschichten erinnern. Stammgäste im „Mascott“ waren neben Deutschen auch Spanier und Portugiesen, die in der Cuxhavener Fischindustrie eine wichtige Rolle spielten. In der Disco gab es auch Streitigkeiten und körperliche Auseinandersetzungen. Das hatte der Disjockey aber gut im Griff. Er stellte die Musik ab, machte helles Licht und dann war „Schluss mit lustig“. Bei Verschmutzungen stellte der Wirt einen Putzeimer auf die Tanzfläche und die Betroffenen mussten die vorhandenen Schäden beseitigen. Da nahm sich jeder in die Pflicht, denn man wollte natür- lich weitertanzen. Waren das noch Zeiten!

Eines Abends Mitte der 70er-Jahre kam in der Disco bei den anwesenden Gäste große Freude auf. Es erschien eine bekannte Milieugröße und verschenkte eine große Anzahl von Räucheraalen. Am nächsten Tag war die Kripo im Einsatz. Es stellte sich heraus, dass dieser Mann in die nur 50 m entfernt liegende Räucherei Steffens eingebrochen und dort die Aale geklaut hatte.

Besonders am Samstag waren alle Plätze an den Tischen und am Tresen besetzt. Das hatte auch einen plausiblen Grund. Schick angezogen, hielten sich auch nett aussehende Mädchen und Frauen in der Diskothek auf. Man lernte sich kennen, spätere Heirat nicht ausgeschlossen.

Gerd Weidner erinnerte sich an einen Samstag, wo mal wieder so richtig Stimmung war. Es erschien Werner B. mit Heilbutt, warf ihn auf den Tresen und bespritzte so die Bekleidung der am Tresen sitzenden Mädchen. Halb so schlimm. Die Mädchen fuhren nach Hause, duschten und zogen sich um. Alle kamen zurück und amüsierten sich bis zum frühen Morgen.

So war es in dieser Disco, eine Zeit an die Gerd Weidner noch heute mit Wehmut zurückdenkt. Er ist sich sicher, dass sich in seiner Diskothek viele Paare kennengelernt haben. „Hier gab es eine richtige Heiratsbörse“, meint er.

Die Wirte im Rotlichtmilieu waren gut organisiert und hielten zusammen. Natürlich gab es Zechpreller, die von Kneipe zu Kneipe liefen, aber schnell gestellt und der Polizei übergeben wurden. Beging ein Gast eine Zechprellerei in der Gaststätte „Elbe 1“ oder in einer anderen Lokalität, griff der Wirt zum Telefon und informierte alle benachbarten Kneipen. Aufgrund dieser Hinweise konnten auch mehrfach Täter in der Disco „Mascott“ gestellt werden.

Gerd Weidner konnte sich über viele Stammgäste freuen. Zu denen gehörten auch Kapitäne von verschiedenen Schiffen. Alle vergötterten besonders eine Person, die zur Diskothek gehörte wie die Kugelbake zu Cuxhaven. Olga Weidner, auch Olli oder „Muddi“ genannt, Mutter von Gerd Weidner, mittlerweile eine Mittachzigerin, stand fast 20 Jahre hinter dem Tresen und war bei allen beliebt. „Ich komme nur wegen „Olli“, weil sie so eine nette und liebe Art hat“, sagte einmal ein Stammgast, der übrigens seine spätere Ehefrau in der Diskothek „Mascott“ kennengelernt hatte.

Nach fast 20 Jahren gaben die „Weidners“ die Diskothek an einen neuen Besitzer ab. Der führte zunächst das „Mascott“ als Disco weiter, später wurde daraus eine Hafenbar, jedoch ohne großen Erfolg. Heute erinnert nur noch eine abgeblätterte Leuchtreklame und eine eiserne Eingangsgittertür, die von Unkraut umwuchert ist, an eine Diskothek, die einmal Mittelpunkt im Rotlichtviertel war.