Ein Richter kommt zu Wort

Bodo Feindt
Burkhard Rasch

Als ich angesprochen wurde, etwas über das Cuxhavener Rotlichtmilieu zu schreiben, habe ich zunächst gezögert. Jetzt, nach mittlerweile 15 Folgen, bin ich überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, denn dieser Bereich gehört mit zur Cuxhavener Geschichte und wäre wahrscheinlich in Vergessenheit geraten.

Hautnah habe ich das Milieu während meiner Tätigkeit bei der Cuxhavener Schutzpolizei in den Jahren von 1970 bis 1974 erlebt, später bei der Kripo, als ich im Bereich Raub und Einbruchsdiebstähle ermittelte. Die Urteile waren hart – aber immer auch gerecht.

Einen Mann, in Cuxhaven kein Unbekannter, möchte ich nicht unerwähnt lassen, den mittlerweile 86-jährigen Richter Bodo Feindt. Er war von 1975 bis 1995 Direktor des Amtsgerichts Cuxhaven und Vorsitzender Richter des Schöffengerichts. Einige, die im Rotlichtmilieu Straftaten begangen hatten oder aus dem Viertel stammten, wurden von ihm verurteilt. Seine Urteile waren für manchen hart, aber immer gerecht. Die Angeklagten hatten Respekt vor diesem Richter. “Herr Feindt hat mit seinem Urteil wesentlich mit dazu beigetragen, dass sich mein Leben zum Guten verändert hat. Ich habe keinen Mist mehr gebaut,“erzählte mir mal ein aus dem Milieu stammender Straftäter. Bodo Feindt fungierte auch als Haftrichter und hatte während seiner Amtszeit viele Haftbefehle verkündet

In einem persönlichen Gespräch sagte er mir, dass er sich an eine Haftsache besonders erinnern könne. Er verkündete am 9. April 1986 Haftbefehle gegen zwei Italiener aus dem Bereich Neapel, die einen der spektakulärsten Banküberfälle in Cuxhaven begangen hatten. Der 32-jährige Sigismondo P. und der 29-jährige Gaetano M. fuhren in den Vormittagsstunden des 8. April 1986 mit einem in Bremerhaven entwendeten Pkw VW Golf GTI in einen Nebenweg der Vereins- und Westbank in Cuxhaven, Poststraße.

Nach Betreten der Bank gelangten sie zunächst unauffällig an eine gesicherte Kassenreihe im Kundenraum. Zu diesem Zeitpunkt war nur eine Kassenbox besetzt. Beide Täter hatten sich Strumpfmasken über den Kopf gezogen und waren mit zwei Pistolen bewaffnet. Vor der Kassenbox rief P.: „Überfall!“ Gleichzeitig überkletterte M. die vom Tresen ab etwa 1.80 Meter hohe Sicherheitsglasscheibe und gelangte in die Kassenbox. Der Kassierer flüchtete. M. raffte das Geld in der Kassenbox zusammen, steckte es in eine Plastiktüte und warf sie dem im Kundenraum wartenden P. zu.

Dieser hielt währenddessen das Bankpersonal sowie die Kunden mit der Pistole und den Worten: „Keiner bewegt sich, keiner telefoniert, kein Alarm!“ in Schach. Die Räuber flüchteten und konnten etwa eine Stunde später im südlichen Bereich des Stadtgebiets gestellt und festgenommen werden. Später wurde bekannt, dass P. und M. die Pistolen bei einem Banküberfall in Neapel den dortigen Wachmännern die Pistolen abgenommen hatten.

Beide Täter standen der in Neapel sesshaften Verbrecherorganisation Camorra nahe. Sie wurden vom Landgericht Stade zu einer Freiheitsstrafe von sieben und neun Jahren verurteilt und anschließend in die Justizvollzugsanstalt Hannover gebracht. Ein halbes Jahr später sprengten Bandenmitglieder aus Neapel ein Loch in die Gefängnismauer und versuchten, P. und M. zu befreien. Das Vorhaben misslang jedoch.

Burkhard Rasch ist im Haus des ehemaligen Cafés Opper in der Deichstraße/ Ecke Neue Reihe aufgewachsen. Vor Opper befand sich im Parterre des Hauses die Fischbratküche Gossel. Nur wenige Meter entfernt lag die Seemannskneipe „Schwäbischer Hof“. Der junge Burkhard und seine Freunde hatten Spaß, mit ihren Rollschuhen nicht nur auf dem Gehweg der Neuen Reihe, sondern auch im Innenraum der Kneipe ihre Runden zu drehen.

Neben dem „Schwäbischen Hof“ befand sich damals in einem Flachbau ein „Puff“. Burkhard Rasch erinnert sich, dass dort immer viel los war. Er kannte auch den Besitzer vom „Stadt Hamburg“, Edu Zümendorf. Sonst normale Seemanns- und Tanzgaststätte, hatten die Fahrensleute ein Mal im Jahr Lokalverbot.

Wer erinnert sich noch an den „Cuxhavener Hof“? An diesem Tag lud Edu die sogenannte „Cuxhavener Elite“ zum Ball ein. Auch Burkhards Eltern hatten sich „fein gemacht“. Bei ihm gab es unten auf der Neuen Reihe oft Schlägereien und Besoffene schliefen auf dem Gehweg ihren Rausch aus. Er konnte sich noch an eine heftige Schlägerei erinnern. Schließlich wurde das einem im 1. Stockwerk des Hauses Opper Wohnenden zu viel. Er kippte einen Eimer mit kaltem Wasser auf die Schlägertruppe. Die revanchierten sich und schlugen alle Fenster im Parterre des Hauses ein. Auch von anderen umliegenden Kneipen und Gaststätten konnte Burkhard Rasch berichten.

Da war die „Kleine Kneipe“, gleich nebenan, die später von Renate Sosinski geführt wurde, das „Nordseehotel“ mit regelmäßiger Tanzmusik und der „Cuxhavener Hof“ mit dem „Cuxhof-Kino“, in dem fast nur Wildwest-Filme gespielt wurden. Bei dieser Aufzählung darf auch die gemütliche, kleine Kneipe „Seestern“ in der Deichstraße nicht fehlen. Kurt Allmroth hieß der Gastwirt und seine Gäste, auch alte Fahrensleute, fühlten sich beim Klönschnack und Skat immer sehr wohl.

Es hat mir Spaß gemacht, diese 15 Folgen zu schreiben.

Abschließend möchte sich Peter Mordhorst noch bei allen Personen, die ihn mit Hinweisen, ihren Erlebnissen und Informationen unterstützt haben, bedanken.