Stickenbüttel radelt zu den Salzwiesen

11.08.2015, Bericht von Uwe Giesecke.

Endlich das ideale Wetter für Jung und Alt, um mal wieder kräftig in die Pedalen zu treten. 15  begeisterte Radler fanden sich um 17 Uhr auf dem Dorfplatz ein. "So viele waren wir noch nie", sprach sich schnell herum. Sogar Kurgäste aus Mannheim waren bereit, sich auf die Sättel zu schwingen. Nach dem Motto "Tour der Generationen" waren die Altersklassen von 8 bis 87 vertreten und alle konnten auf der 3. Radtour des Verkehrs- und Bürgervereins Stickenbüttel problemlos mithalten.

Vor dem Start noch schnell ein Foto als Beleg. Dann fiel der Startschuss, und unser bewährter Tourenführer Heinz Schwarz übernahm das Kommando für die nächsten 2 Stunden.

Fern ab vom Autoverkehr ging es auf dem Sahlweg durch duftende Felder und Wiesen in Richtung Duhnen – aber nicht hinein. Rechtzeitig nahmen wir den Grenzweg durch die schöne Duhner Heide. Zaghafte erste Blühversuche waren zu beobachten.

Und dann hinein in den Wernerwald, "der einzige Wald an der deutschen Nordseeküste im direkten Übergang zum Wattenmeer" wusste Heinz Schwarz zu erzählen. Auf Initiative des Hamburger Amtsverwalters Dr. A. Werner wurde vor über 120 Jahren in Sahlenburg mit der Aufforstung des bis heute einzigartigen und inzwischen 315 ha großen Küstenwaldes begonnen, der die vielfältige Cuxhavener Küstenlandschaft außerordentlich bereichert.

Am Mountainbike Gelände wurde Pause gemacht und Heinz Schwarz gab einen spannenden Einblick in die früheren Hamburger Pläne eines Tiefwasserhafens Neuwerk-Scharhörn: "Wenn die Pläne aus den 70er Jahren Wirklichkeit geworden wären, stünden wir heute vermutlich an dem Damm für Straßen- und Eisenbahnverkehr, der den Landanschluss südlich von Sahlenburg sichern sollte". Angesichts finanzieller Probleme hat der Hamburger Senat das Projekt 1979 beerdigt.

Erleichtert setzte die muntere Radlerschar ihren Ausflug durch den Wernerwald fort. Über unbefestigte Waldwege, die sich mühelos befahren ließen, erreichten wir schließlich die Wittdünen nördlich von Arensch.

Hier hatte Heinz Schwarz ein ganz besonderes "high light" parat: "Kennt Ihr Röhrkohl?" lautete die Frage. "Da hinten wächst er. Er ähnelt äußerlich ein wenig dem Schnittlauch, wird aber gestochen wie Spargel, und trägt als grasartige Pflanze den irreführenden Namen Röhrkohl" berichtet Heinz Schwarz, "für die Menschen, die am norddeutschen Wattenmeer zuhause sind, ist der Röhrkohl ein  kulinarisches Kind der Salzwiesen. Und es ist das verbriefte und nicht übertragbare Privileg der naturverbundenen Einheimischen, den Röhrkohl in einem fünfwöchigen Zeitraum zwischen Mai und Juni im Außendeichgebiet in den landschaftlich einmaligen Salzwiesen zu ernten. Danach werden die Stängel hart und bitter, dass sich kein schmackhaftes Gericht mehr zubereiten ließe". Staunende Gesichter im Kreis der Zuhörer ließen Skepsis aufkommen: "Und warum darf außer den Ortsansässigen niemand dem Röhrkohl zu Leibe rücken?" ertönte die erste Frage. Die Antwort ist einfach: "Weil nur die Menschen, die am Wattenmeer leben und dort aufgewachsen sind, sich in den unter Schutz stehenden Salzwiesen so rücksichtsvoll zu bewegen wissen, dass die brütenden Vögel nicht gestört werden". Na und dann die Frage nach der Zubereitung, dem Rezept. Hier ist es – für alle, die es einmal ausprobieren möchten:

 

Röhrkohl -Watt'n Spargel

Zutatenliste:

*    Röhrkohl
*    Räucherspeck
*    Butter
*    Salz und Pfeffer
*    Soßenbinder
*    Sättigungsbeilagen

Der gut gewaschene Röhrkohl wird in kurze Stücke geschnitten. Je nach Gemüsemenge und Geschmack wird dann Räucherspeck in angemessener Menge gewürfelt. Röhrkohl und Räucherspeck werden zusammen zu einer Art Eintopf verarbeitet, der mit Mehl, Milch oder auch Haferflocken angedickt werden kann. Wer es den Norddeutschen gleich tun will, genießt das deftige Röhrkohlgemüse mit einfachem Quark. Wem das allerdings zu friesisch ist, der darf sich auch gerne Pellkartoffeln als Beilage schmecken lassen.

Versehen mit vielen neuen Erkenntnissen über kulinarische Spezialitäten und Kochkünste aus dem hohen Norden Deutschlands wurde das nächste Ziel angesteuert: das Tierhotel in Arensch. Das ehemalige Trafohäuschen wurde 2003 von der EWE stillgelegt. Das Gebäude war von der Bausubstanz her stabil. Nur kleine Schäden am Dach und an der Dachentwässerung mussten behoben werden. Anschließend wurden innen und außen am ca. 7m hohen Gebäude Nisthilfen für Fledermäuse und verschiedene Vogelarten, wie Hausrotschwanz, Meisen und Sperlinge, angebracht.

Nach diesem Zwischenstopp hieß es wieder kräftig in die Pedalen treten. Weiter ging es durch Berensch in Richtung Holte-Spangen, vorbei an einem himmelblau gestrichenen Haus, das Einstein'sche Weisheit ausstrahlte: "Das Studium und allgemein das Streben nach Wahrheit und Schönheit ist ein Gebiet, auf dem wir das ganze Leben lang Kinder bleiben dürfen" ließ uns Albert Einstein wissen. So gibt es immer wieder etwas Neues zu erfahren, auch dass ein kleiner tief im Wald versteckter Löschteich Goldfischen eine Heimat ist.

Und wohin nun? Kleine Beratung am Ende des Berenscher Heidewegs. "Das war früher die einzige Verbindung zwischen Berensch und Holte-Spangen" erinnerte sich mancher Radler an seine Jugendzeit. Nun stand die obligatorische Einkehr als krönender Abschluß einer wunderbaren und perfekt angelegten Radtour an. Das heißt ein bisschen Strampeln zurück nach Stickenbüttel stand immer noch bevor – da hieß es nüchtern bleiben! In der "Holter Deel" gab es Erfrischungen für die fröhliche Runde und ein ganz großes Dankeschön an Heinz Schwarz für die gelungene Tour. Ganz spontan wurde die Idee geboren: "Eine Tour machen wir noch in diesem Jahr, Anfang September wird wieder "gesattelt"".

Am Ende des Tages standen übrigens 25 km auf dem Tacho – und niemand hat schlapp gemacht! Großartig!

Noch ein paar Impressionen: Vor der Tour:

Und so sieht's aus: Nach der Tour:

Und wer es mit den "Erfrischungen" übertreibt, kommt nicht nach Hause:

(war keiner von uns!)